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Single zum Verlieben (aus “Dreizehn und eine Liebesgeschichte”)

Rolf Aufmüpfer hielt sich für einen Schriftsteller, einen ganz großen heutigen, nur die anderen hatten es noch nicht erkannt.

An 42 Großverlage hatte er seine Kunst verschickt, und 42 Absagen erhalten.

Glücklicherweise gab es noch “Privatverlage”, bei denen man seine Veröffentlichung kaufen konnte. So hatte er nach vier Tagen ein Vertragsangebot, und nach weiteren vier Tagen den Druckkostenzuschuss von seiner Frau für seinen ersten Erfolg. Ihr nächster Kleinwagen musste eben noch ein paar Jahre warten. Dafür konnte er seinen Namen bald im “Börsenblatt des Deutschen Buchhandels” lesen.

Damit aber war er noch nicht bekannt. Welcher normale Mensch nimmt je dieses Börsenblatt in die Hand – und dass er sein Werk in irgendeinem Laden richtig als Buch sehen, dass es jemand kaufen würde, das hatte ihm ja niemand zugesichert.

Er brauchte also eine Idee, um dem Verkaufserfolg etwas nachzuhelfen. Diese Idee brachte seine Frau unbeabsichtigt mit nach Hause. Sie hatte einen richtigen Faible für Frauenzeitschriften, die dann durchgeblättert irgendwo in der Wohnung herumlagen, um von Aufmüpfer als Toilettenlektüre nachgenutzt zu werden.

In einer davon fand er eine Beilage: “100 Singles zum Verlieben”, das Ganze gleich mit Bild und Kurzinterview. Erreichbare Adressen in ganz Deutschland.

Aufmüpfer dachte erst daran, mit ein paar hübschen Mädels darin anzubändeln. Dann jedoch schrie er vor Vergnügen in seinem Büro auf: “Nein, wozu? Die brauchen doch nur mein Buch zu kaufen und dann vor ihren Freunden und Bekannten davon zu erzählen – Hauptsache, dass die es auch interessant finden und kaufen.”

Schon saß er an seinem Computer:

“Liebe ...

Sicher schreiben Dir von den schüchternen, aber liebenswerten Menschen nur wenige auf Deine Anzeige, und wenn, dann schmeißt Du ihren Brief sowieso weg, weil sie unter Deiner Verehrerpost nicht auffallen.

Einzig, damit ich dir auffalle, lege ich Dir einen “Werbezettel” für mein erstes Buch bei. Ein Foto von mir findest Du auf dem Einband. Du kannst dort noch einiges mehr entdecken, womit Du mich gleich richtig kennen lernst, und worüber wir uns brieflich nachher unterhalten könnten. Dass ich Dich super finde, so richtig für mich gemacht, brauche ich wohl nicht besonders zu betonen. Sonst hätte ich Dir wohl nicht geschrieben.

Es freut sich auf die nächste Runde

Dein Rolli-Rolf”

“Hach!”

Mit einer Siegerpose reckte er die rechte Faust in die Luft.

“Für Geld kann man das schon mal machen. Denn Geld und Ruhm wird rauskommen dabei.”

Aufmüpfer überlegte: Was würde geschehen? Ein Künstler sollte wenigstens in die engere Wahl der Mädchen kommen. Also würden die meisten seine Zuschrift herausfischen und in den Buchhandlungen nach seinem Buch fragen. Es wäre nicht da, müsste – und würde – bestellt werden, und wenn dann die Bestellung eingetroffen war, erführen die Kandidatinnen, dass er mit Weib und  zwei Kindern zusammen lebt. Aber dann war das Buch verkauft.

In ihrer Entrüstung verbreiteten sie am Ende noch ungewollt seinen Ruhm in der Bekanntschaft. Auf jeden Fall kam er ins Gespräch. Er brauchte sich nicht mehr zu melden. Und... Es traf ihn wie der Blitz: Das ging sogar mit den Männern!

Natürlich durfte er nicht “Liebe ...”, sondern musste “Lieber ...” schreiben, und unten drunter musste er mit “In (vielleicht mal) Liebe R.” unterschreiben, den Restbrief konnte er lassen.

Namen und Adressen für die Serienbriefe eingesetzt – schade, dass er sie nicht als Infopost abschicken konnte. Das hätte dann einfach zu unpersönlich gewirkt.

Die nächste Nummer der besagten Zeitschrift erschien, ohne dass eine Reaktion von einem der Singlepartnerinnen und –partner im Briefkasten gelandet wäre. Der Verlag hatte sich zwar nicht bei ihm gemeldet wegen einer Neuauflage seines Buches, aber Aufmüpfer war sich sicher, dass seine Masche lief.

So wiederholte er das Spiel mit einiger Routine.

Er achtete nicht mehr so penibel darauf, immer der erste am heimischen Briefkasten zu sein. Es würde schon nichts passieren.

Eigentlich schade, dachte er. Neben der Verkaufsmasche hatte er damit geliebäugelt, mal richtig scharfe weibliche Fanpost zu bekommen, solche, bei der es besser war, dass Rita sie nicht zu Gesicht bekam. Aber der Verkaufserfolg ging natürlich vor. Erfolg als Künstler macht sexy. So wartete er gelassen auf die folgende Monatsausgabe.

Rita, seine Frau, hatte sich anfangs über sein plötzliches Interesse an der Frauenzeitschrift gewundert, es aber schnell wieder vergessen  Auch Rolf dachte immer weniger an Post oder die nächste Zeitschrift. Seine Hoffnungen und sein Interesse erlahmten langsam.

Da klingelte es an der Haustür. Vor Aufmüpfer stand ein Mädchen, das er trotz seiner Überraschung sofort toll fand.

“Hallo, ich bin die Marion. Guck nicht so komisch! Du hast mir doch auf meine Singleanzeige geschrieben. Na, und nun bin ich zufällig hier in der Ecke. Da dachte ich, schaust einfach mal rein. Was ist denn? Willst du mich nicht rein lassen?”

Mechanisch gab Aufmüpfer die Haustür frei.

Marion – welche Marion eigentlich? – Marion also sah ihm in die Augen, als suche sie nach einem tiefen Versteck. Später erinnerte er sich daran, dass er  dachte, die führt sich auf wie ein leichtes Mädchen.

“Komm doch rein. Wenn du schon so einen weiten Weg hinter dir hast, - du hast doch einen weiten Weg hinter dir? – dann wirst du einen Moment Zeit haben, bis der Kaffee fertig ist?”

“Ja, ja, mach nur.”

Marion setzte sich auf die ihr zugewiesene Couch im Wohnzimmer und ließ ihre Blicke schweifen.

Rolf überlegte angestrengt. Gab es im Wohnzimmer irgendwelche Dinge, die auf Familie hindeuteten? Eigentlich nicht. So lange diese Dame nicht die Türen der Anbauwand öffnen würde, konnte er als altmodischer Single durchgehen.

Ritas Sachen? Rolf Aufmüpfers Hände zitterten; er verschüttete Kaffeepulver, er verschüttete Wasser.

“Soll ich dir helfen kommen?” hörte er diese Marion rufen.

“Nein, nein, schon gut. Ich bin nur leicht zu überrumpeln.”

Wenn sie wirklich eine “Dame” ist? Dann müsste es ihr egal sein, ob er verheiratet war. Dann ginge es ihr nur um ein Besuchshonorar für eine Leistung, die sie noch erbringen würde. Wie spät war es eigentlich?

Aufmüpfer betrachtete entgeistert die Küchenuhr. Dort war es zehn vor halb drei. Martin und Jenny hätten schon längst da sein müssen. Ob sie den Bus verpasst hatten? Dann käme der nächste halb vier. Oder ob was passiert war? Quatsch, da hätte jemand angerufen. Also hatte der Bus Verspätung oder sie bummelten auf der Straße vor der Tür. Dann konnte es jeden Augenblick klingeln.

Warum sollten ihn aber nicht die Kinder aus seiner vergangenen unglücklichen Ehe besuchen? Gibt ‚s doch so was.

Im Bemühen, nicht auch noch den fertigen Kaffee zu verschütten und mit dem Gedanken “Ist doch alles ganz normal. Ist alles ganz normal.” Betrat er wieder das Wohnzimmer.

Marion drehte sich mit der Porzellanpuppe vom Schrank in der Hand um und fragte entgeistert: “Was ist normal?”

“Ach nichts. Ich habe nur laut gedacht.”

Rolf war froh, noch ein paar Stückchen Streuselkuchen gefunden zu haben. Im Wechsel von Trinken und Kauen würde ihm hoffentlich etwas Vernünftiges einfallen.

Das Mädchen musterte ihn ungeniert und offenbar belustigt.

“Was lachst du? Bin ich immer noch voller Wasserflecken?”

“Ach, ich hatte mir halt so ein Bild von dir gemacht. Und da warst du irgendwie ausgeflippter. Nicht so stinknormal wie ein Versicherungsvertreter...”

Rolf verschluckte sich, hustete, rang nach Luft.

“Sehe ich so aus?”

“Nein, nein, ich meine nur, dass die eben so stinknormal wirken müssen, wie du aussiehst. Sag mal, die Couch lässt sich nach hinten klappen?”

“Warum?”

Blöde Frage, natürlich. Das wurde dem Mann sofort bewusst, kaum dass er den Mund aufgemacht hatte. Außerdem sah Marion ihn jetzt so eindeutig anzüglich, richtig auszüglich an, da gab es am Sinn der Frage keinen Zweifel.

Sie ist doch eine Dame, dachte er, sie ist richtig hübsch und mein Gott, gleich klingeln die Kinder. Was mach ich nur?

“Eigentlich habe ich so meine Grundsätze. Nicht gleich beim ersten Mal. Da kann man sich nicht mehr steigern. Nicht, dass du mir nicht gefällst. Aber wir sehen wir uns wieder. Du hast doch Telefon. Ich ruf dich an, wenn ich in deiner Nähe bin.”

Bei diesen Worten war er aufgestanden. So abrupt hatte er den Rauswurf nicht gewollt. Ehe er sich recht besonnen hatte, war Marion aus seinem Haus und sicher auch aus seinem Leben verschwunden.

“Huch!” rief er und wischte sich den Schweiß von der Stirn. “Geschafft!”

Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Wo blieben seine Kinder?

Rolf wusch sorgfältig ab, räumte alle erkennbaren Spuren des unheimlichen Besuchs weg und setzte sich wieder an seinen Schreibtisch, ohne dass ihm etwas Vernünftiges eingefallen wäre.

Da klingelte es.

Er stürzte regelrecht zur Haustür und stand plötzlich entgeistert seiner Frau  und seinen beiden Kindern gegenüber.

“Ich hatte heute Vormittag einen Kundentermin auswärts, und mein Chef hat gesagt, ich brauch nicht unbedingt wiederkommen. Da dachte ich, fahr ich gleich nach Hause und überrasche dich. Unterwegs fiel mir ein, ich könnte  auch die Kinder abholen, und dann haben wir noch zusammen ein Eis gegessen. Deshalb sind wir jetzt erst hier.”

“Ein Glück! ... Ich meine, ein Glück, dass wir heute mal alle zusammen sind.”

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